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Luxemburgische Rechtsprechung - COVID-19-Mietbefreiung für Gewerbemieter während den staatlich angeordneten Betriebsschließungen

Luxemburg, 17.03.2021

Das luxemburgische Friedensgericht hat im Januar 2021 interessante Urteile, betreffend die Frage ob Gewerbemieter zur Zahlung von Mietrückständen während den staatlich angeordneten Betriebsschließungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie verpflichtet sind, gefällt.

In allen Fällen lagen dem Gericht Klagen auf Zahlung von Mietrückständen vor, die gegen Cafébesitzer und Textilwarenhändler gerichtet waren, die ihre Geschäftslokale während des Corona-Lockdowns für die Öffentlichkeit schließen mussten.

Die beklagten Gewerbemieter ersuchten vor Gericht eine Mietbefreiung oder hilfsweise eine Mietminderung mit der Begründung, dass sie durch die staatlich angeordneten Betriebsschließungen das Mietobjekt nicht nutzten durften. Sie seien deshalb nicht mehr zur Zahlung der Miete verpflichtet, da der Vermieter seine wesentliche Vertragspflicht - dem Mieter eine ungestörte Nutzung des Mietobjekts zu garantieren - nicht erfüllen konnte.

Das Friedensgericht gab den Anträgen der Beklagten statt und gewährte ihnen für den Zeitraum der staatlich angeordneten Betriebsschließungen eine vollständige Befreiung der Zahlpflicht der Mietrückstände.

Das Gericht basierte sich hierfür auf Artikel 1722 des luxemburgischen Bürgerlichen Gesetzbuches.

Dieser Artikel stellt eine Anwendung des Rechtskonzepts der sogenannten „Risikotheorie“ dar, einer Theorie die bei synallagmatischen Verträgen (Verträgen mit gegenseitigen Verpflichtungen der Vertragsparteien) vorsieht, dass wenn aufgrund eines Falles von höherer Gewalt die Vertragspflicht einer Partei wegfällt, die entsprechende Verpflichtung der anderen Partei gleichermaßen wegfällt. Diese Umstände berechtigen eine Neuverhandlung des Vertrags.

Laut Artikel 1722 wird ein Mietvertrag von Rechts wegen beendet, wenn das Mietobjekt während der Laufzeit des Mietvertrags durch höhere Gewalt ganz zerstört wird. Wird das Mietobjekt nur teilweise zerstört, kann der Mieter je nach Umständen entweder eine Mietminderung oder die Beendigung des Mietvertrags verlangen.

Das Friedensgericht hat festgestellt, dass Artikel 1722, welcher sich in erster Linie auf den materiellen Verlust der Mietsache bezieht, auch im Falle eines rechtlichen Verlusts des Mietobjekts angewendet werden kann.

In den vorliegenden Fällen ist der rechtliche Verlust des Mietobjekts bedingt durch die staatlich angeordneten Betriebsschließungen, die ein vorübergehendes unvorhersehbares Ereignis darstellen.

Die angeordnete Schließung der Geschäftslokale machte es den Vermietern unmöglich, den Gewerbemietern die Nutzung des Mietobjekts zu garantieren und deshalb ist die Mietzahlungspflicht der Mieter vorrübergehend ausgesetzt.

Das Friedensgericht hat aber darauf hingewiesen, dass ein Gewerbemieter nur von seiner Mietzahlungspflicht befreit ist, wenn er durch das unvorhersehbare Ereignis das Mietobjekt nicht zweckentsprechend nutzen konnte.

Die Risikotheorie des Artikels 1722 findet daher keine Anwendung, wenn das unvorhersehbare Ereignis nur den Umsatz des Gewerbemieters vermindert.

Es ist abzuwarten ob diese rezenten Urteile des Friedensgerichts im Rahmen eines Berufungsverfahrens gekippt werden oder ob sie eine dauerhafte Anerkennung in der luxemburgischen Rechtsprechung erlangen.

Autorin: Anne-Marie Schmit, Rechtsanwältin

ETUDE ANNE-MARIE SCHMIT