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Luxemburgisches Handelsrecht: Die Rechtsvermutung der akzeptierten Rechnung gilt nicht in allen Fällen

Luxemburg, 30.09.2019

Im Luxemburgischen Handelsrecht besteht unter Kaufleuten die allgemein gültige Rechtsvermutung, dass jede Rechnung, die nicht binnen kurzer Frist beanstandet wurde, als angenommen gilt (Art. 109 des Luxemburgischen Handelsgesetzbuchs).

Um die automatische Annahme zu verhindern, muss die Beanstandung einer Rechnung begründet und detailliert sein. Beim Fehlen dieser Bedingungen wird angenommen, dass der Rechnungsempfänger mit den Forderungen einverstanden ist und die Rechnung akzeptiert.

In einer Revisionsentscheidung vom 24. Januar 2019 (Nr. 16/2019, Registernummer 4072) hat der Luxemburgische Kassationshof den Anwendungsbereich der Rechtsvermutung der akzeptierten Rechnung definiert und eingeschränkt.

Der Rechtsstreit betraf eine Immobilienhandelsgesellschaft mit beschränkter Haftung, die eine Immobilienberatungsgesellschaft beauftragt hatte, potenzielle Käufer für Grundstücke sowie Käufer für Gesellschaftsanteile von Grundstücken anzuwerben.

Aufgrund dieses Unternehmensvertrags wurde dem Auftraggeber eine Rechnung mit Forderungen in Höhe von 799.437,60 € gestellt.

Da diese Rechnung nicht bezahlt wurde, reichte die Immobilienberatungsgesellschaft eine Zahlungsklage beim Luxemburgischen Bezirksgericht ein, welches in seinem Urteil vom 6. Juli 2016 festgestellt hat, dass die Immobilienhandelsgesellschaft die Rechnung binnen kurzer Frist beanstandet hatte, jedoch die Beanstandungen nicht detailliert genug waren. Infolgedessen hat das Bezirksgericht die Rechtsvermutung der akzeptierten Rechnung angewendet und dem Zahlungsantrag der Immobilienberatungsgesellschaft stattgegeben.

Dieses Urteil wurde vom Auftraggeber angefochten, welcher bestritt, dass die Rechtsvermutung der akzeptierten Rechnung im vorliegenden Fall anwendbar ist. Der Berufungskläger hat hervorgehoben, dass der Anwendungsbereich dieser Rechtsvermutung basierend auf Art. 109 des Handelsgesetzbuchs sich auf Kaufverträge unter Geschäftsleuten beschränkt und nicht bei Dienstleistungsverträgen angewendet werden kann.

Im Berufungsverfahren hat die 4. Kammer des Berufungsgerichts am 13. Dezember 2017 die Berufungsklage für unbegründet erklärt und abgewiesen. Laut Berufungsgericht beträfe die Rechtsvermutung der akzeptierten Rechnung nicht nur Kaufverträge, sondern sei allgemein unter Kaufleuten anwendbar. Die Rechtsvermutung der akzeptierten Rechnung hätte einen weitaus breiteren Anwendungsbereich, welcher, unter Vorbehalt einiger Ausnahmen, über den des Art. 109 des Handelsgesetzbuchs hinausgeht.

Ein Revisionsverfahren vor dem Luxemburgischen Kassationshof wurde eingeleitet.

Am 24. Januar 2019 hat der Luxemburgische Kassationshof das Urteil zweiter Instanz aufgehoben und entschieden, dass das Berufungsgericht gegen die Bestimmungen des Art. 109 des Handelsgesetzbuchs verstoßen hat.

Laut Kassationshof beschränkt sich die Rechtsvermutung des Art. 109 auf Kaufverträge unter Geschäftsleuten. Bei allen anderen Handelsverträgen handle es sich lediglich um eine einfache menschliche Vermutung („présomption de l’homme“) und nicht um eine Rechtsvermutung („présomption légale“). Es steht dem Richter also frei, anhand verschiedener Indizien zu entscheiden, ob eine Rechnung akzeptiert wurde und Forderungen bestehen.

Diese Entscheidung erschwert das Eintreiben von Forderungen, die auf Nicht-Kaufverträgen basieren und vor allem die Beweislast des Antragstellers, da in diesen Fällen der Richter nicht durch die Rechtsvermutung der akzeptierten Rechnung gem. Art. 109 des Handelsgesetzbuches gebunden ist, sondern seine Entscheidung anhand verschiedener Merkmale festmacht.

Autor: Anne-Marie Schmit, Rechtsanwältin

ETUDE ANNE-MARIE SCHMIT