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Grundlegende Arbeitsrechtsreform in Frankreich

Lyon, 29.12.2017

Am 22. September 2017 hat Frankreichs neuer Präsident Macron fünf Verordnungen erlassen und damit seine angekündigte Arbeitsrechtsreform durchgesetzt:

Insbesondere soll mehr Rechtssicherheit im Kündigungsverfahren gewährleistet werden (I.),
die Personalvertretungsorgane zur Mitbestimmung der Arbeitnehmer werden schlanker (II.)
und Unternehmen sollen leichter betriebsintern von Tarifverträgen abweichen können (III.).

I. Mehr Rechtssicherheit im Kündigungsverfahren

Kalkulierbarer Schadensersatzanspruch

Das ohnehin sehr formelle französische Kündigungsverfahren war von hohen Abfindungssummen für Arbeitnehmer geprägt, dessen Höhe weitgehend im Ermessensspielraum der Richter lag. Bei rechtsgrundloser Kündigung stand einem Arbeitnehmer mit zwei Jahren Betriebszugehörigkeit bei größeren Unternehmen (>10 Mitarbeiter) ein Schadensersatzanspruch von mindestens sechs Monatsgehältern zu; nach oben gab es keine Deckelung.

Für Unternehmen ab 11 Mitarbeitern gelten nun folgende zwingende gesetzliche Maßgaben:[1]

  • Bei einer Betriebszugehörigkeit von unter 1 Jahr: Höchstens 1 Monatsgehalt als Entschädigung;
  • Zwischen 1 und 2 Jahren: Zwischen 1 und 3,5 Monatsgehälter;
  • Ab 3 Jahren: Mindestens 3 Monatsgehälter, die Obergrenze steigt graduell an: 4 (bei 3 Jahren); […] 9 (bei 9 Jahren); […] 13 (bei 15 Jahren) und maximal 20 (ab 30 Jahren).

Für kleinere Unternehmen (max. 10 Mitarbeiter) gibt es abweichende Untergrenzen bei einer Betriebszugehörigkeit von bis zu 10 Jahren.

Demgegenüber wurde die gesetzl. Kündigungsentschädigung bei einer begründeten fristgerechten Kündigung angehoben.

Vereinfachung der betriebsbedingten Kündigung

Internationalen Konzernen wird die betriebsbedingte Kündigung erleichtert: Bisher mussten die wirtschaftlichen Schwierigkeiten den gesamten Konzern – und damit auch die ausländische Mutter-/Schwestergesellschaft – betreffen. Diese Realitätsprüfung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist nunmehr allein auf die französische Gesellschaft beschränkt.

Zudem wurde die Pflicht, dem Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bei den ausländischen Standorten des Konzerns anzubieten, aufgehoben.

II. Arbeitnehmervertretung

Das Personalvertretungsrecht war von einer Vielzahl von Gremien geprägt. Die früheren drei Personalvertretungsorgane verschmelzen grundsätzlich seit 01.01.2018[2] zu einem sozialen und wirtschaftlichen Beirat (sog. comité social et économique). Dieses ist nun einziger Ansprechpartner für die Arbeitnehmer bei Fragen insbesondere zur Arbeitssicherheit, Arbeitsdauer und zu Entlassungen und soll die Kommunikation innerhalb des Unternehmens vereinfachen.

III. Stärkung individueller Betriebsvereinbarungen

Unternehmen wird durch Absprachen mit der Belegschaft die Möglichkeit gegeben, von Branchentarifverträgen abzuweichen. Damit sollen auch kleinere Unternehmen die Arbeitsverhältnisse (z.B. hinsichtlich anfänglicher Probezeit, Kündigungsfrist/-abfindung, 13. Monatsgehalt, Prämie für Betriebszugehörigkeit) ohne Mitwirkung von Gewerkschaftsvertretern und damit flexibler an die individuellen Gegebenheiten anpassen können.

Für bestimmte Ausnahmebereiche, wie z.B. Mindestlohn oder maximale Arbeitszeiten, sind weiterhin Branchenabsprachen vorrangig.

FAZIT: Vorwiegendes Ziel der Reform ist es, den französischen Mittelstand zu stärken und wettbewerbsfähiger zu gestalten. Einige wichtige Brennpunkte des französischen Arbeitsrechts wurden rationalisiert und dürften Arbeitsverhältnisse unbürokratischer gestalten, so dass die Neuerungen insbesondere von Arbeitgeberseite grundsätzlich positiv bewertet wurden. Es bleibt abzuwarten, wie der umgestaltete soziale Dialog angenommen und umgesetzt wird.

Autorin: Petra Kuhn, Avocat à la Cour, Diplom-Rechtspflegerin (FH)

ZGS Avocats Associés

 



[1] Tabelle hier abrufbar

[2] Es gelten div. Übergangsvorschriften.