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Zehn Jahre elektronischer Rechtsverkehr in Portugal

Lissabon, 26.09.2017

Seit der Verabschiedung des Gesetzes zur elektronischen Signatur im Jahr 1999 herrscht in Portugal ein starker politischer Wille zur Informatisierung der öffentlichen Verwaltung und der Justiz.

Schon 2006 wurde per Gesetz im Zivilprozessgesetzbuch die elektronische Führung der Akte verankert, im darauffolgenden Jahr der Einreichung von Schriftsätzen auf dem Wege der elektronischen Datenübermittlung der Vorrang eingeräumt. Für Zwangsvollstreckungsverfahren wurde bereits 2005 die erste virtuelle Geschäftsstelle eingerichtet, seither ist die Einreichung von Zwangsvollstreckungsanträgen nur im digitalen Format zulässig.

Zum Durchbruch im elektronischen Rechtsverkehr kam es jedoch endgültig im Jahr 2008 mit der Schaffung der elektronischen Gerichtsplattform, genannt „Citius“ (lateinisch: „schneller“) und der Verabschiedung der Ausführungsverordnung zur elektronischen Führung der Verfahren.

Gleichfalls im Jahr 2008 wurde das vollständige elektronische Mahnverfahren eingeführt.

Nach einer anfänglichen Probephase sind seit Juli 2009 sowohl Rechtsanwälte als auch Richter, Staatsanwälte, Gerichtsbeamte und Gerichtsvollzieher in Zivilverfahren an die elektronische Plattform Citius angebunden.

Schriftsätze und Dokumente werden ausschließlich über Citius eingereicht, ebenfalls die Niederlegung von Beschlüssen, Urteilen und sonstiger schriftlicher Akte. Rechtsanwälten steht der Zugang zur elektronischen Prozessakte offen, in der auch alle Posteingänge in digitalisierter Form zu sehen sind. Zustellungen unter den prozessbevollmächtigten Rechtsanwälten der Parteien und seitens des Gerichts erfolgen ausschließlich elektronisch via Citius, ebenso die Benennung und Kommunikation mit den Gerichtsvollziehern. Sogar die Vollstreckungsklausel im Mahnverfahren wird elektronisch beantragt und kann jederzeit über Citius anhand der entsprechenden Zugangsdaten abgerufen werden. Dem Gerichtsvollzieher stehen diverse elektronische Werkzeuge zur Verfügung, wie z. B. die elektronische Pfändung von Bankkonten, Kraftfahrzeugen und Grundstücken, die elektronische Abfrage von Datenbanken, elektronische Zustellungen und allgemein Zugang zur elektronischen Akte und dem elektronischen Schuldnerverzeichnis.

Ihrem Namen getreu hat Citius grundlegend zur Beschleunigung und Effizienz der Verfahrensabläufe im Zivilprozess beigetragen, wovon sowohl Rechtsanwälte als auch Parteien profitieren. Als ein Beispiel sei das automatisierte Mahnverfahren angeführt: In der Regel dauert es kaum länger als sechs Wochen bis ein vollstreckbarer Titel vorliegt. Ein anschließendes Zwangsvollstreckungsverfahren kann beim zuständigen Gericht via Citius unverzüglich unter Angabe des elektronischen Titels eingeleitet werden. Die Möglichkeit elektronischer Abfrage von Datenbanken und Pfändungen erspart Gerichtsvollziehern viel Zeit und Aufwand und führt zu einem schnelleren Erfolg seitens des Gläubigers. Der Verwaltungsaufwand ist ingesamt enorm reduziert.

In Sachen elektronischer Rechtsverkehr zählt Portugal im europäischen Vergleich zu den führenden Ländern. Es stellt sich zurecht die Frage, in welche Richtung die weitere Entwicklung geht. Die jetzige Regierung hat in ihrem Programm „Justiça + Próxima“ (portugiesisch, noch nähere Justiz) u. a. neue Maßnahmen im Bereich der elektronischen Ladung und Zustellung vorgesehen, sowie die Einführung des elektronischen Rechtsverkehr in den 2. und 3. Zivilinstanzen, als auch die automatische Transkription von Videokonferenzen.

Die portugiesische Justiz ist bereits im digitalen Zeitalter angekommen.

Autor: Cristina Dein, Rechtsanwältin - Advogada

Dein Advogados